Raúl Chiappe und Serguei Alvarez

Während der letzten fünf Jahre hat das Team von Sipas Wayna einen Schwerpunkt im Bereich Sexualerziehung und Gewaltprävention gesetzt. In der Gemeinde Saylla, etwa 40 Autominuten von Cusco entfernt, fand eine intensive Auseinandersetzung zu diesem Schwerpunkt statt. Die Inhalte der Workshops erreichten über 461 Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 17 Jahren sowie 360 Väter und Mütter und 40 Lehrkräfte.

Dieses interdisziplinäre Projekt verfolgt das Ziel, Wissen über Sexualität, gesunde Beziehungen und Gewaltprävention zu vermitteln und so das Leben der Teilnehmenden nachhaltig zu verändern.

Die zahlreichen Workshops richteten sich an verschiedene Altersgruppen, wobei jeder Altersgruppe speziell auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Inhalte vermittelt wurde. Kinder im Alter von 10 bis 12 Jahren lernten, riskante Situationen zu erkennen und zu vermeiden. Ein zentraler Punkt war es, sichere und unsichere Orte zu identifizieren und zu verstehen, dass niemand das Recht hat, sie unangemessen zu berühren oder psychsich zu missbrauchen. „Wir haben gelernt, uns nicht diskriminieren zu lassen, uns gegenseitig zu unterstützen und uns zu organisieren“, sagt Ana Ericka, 12-jährig, über ihre Erfahrungen im Projekt.

Für die 13- und 14-Jährigen lag der Schwerpunkt darauf, Verantwortung für ihr eigenes Verhalten zu übernehmen und bewusste Entscheidungen zu treffen. Dabei wurden Themen wie die physische und emotionale Entwicklung des Körpers während der Pubertät behandelt, ebenso wie die Bedeutung von Verhütungsmethoden. In intensiven Diskussionen wurde über die Menstruation und die biologischen Veränderungen des Körpers gesprochen. Die Jugendlichen lernten auch, zwischen gesunden und toxischen Beziehungen zu unterscheiden. Ein 13-jähriger Teilnehmer, Jamin Arnedo Quispe, erzählte: „Wenn ich im Bus sitze und sehe, dass jemand eine Person oder mich sexuell belästigt, halte ich den Bus an, steige aus und bitte um Hilfe.

Die ältesten Teilnehmenden im Alter von 15 bis 17 Jahren vertieften ihr Wissen über Verhütung und sexuelle Gesundheit. Sie lernten, wie eine Schwangerschaft biologisch entsteht und wie sie diese verhindern können. Besonders wichtig war es, die Jugendlichen zu ermutigen, Selbstachtung und Respekt für sich selbst zu entwickeln, um manipulativen Verhaltensweisen in Beziehungen entgegenzuwirken. Camila Valera Quispe, 16 Jahre alt, sagte: „Mit Sipas Wayna habe ich meine Fähigkeiten und mich als Mensch schätzen gelernt. Es ist wichtig, uns selbst zu erkennen und Personen, die uns verletzen, Grenzen zu setzen.“

Das Programm in der Gemeinde Saylla erzielte bemerkenswerte Ergebnisse. Während vor dem Programm jährlich vier bis fünf Mädchen schwanger wurden, sank die Zahl der Teenagerschwangerschaften in den letzten Jahren auf null. Diese positive Entwicklung verdeutlicht den Einfluss des Sexualkundeunterrichts auf das Leben der Jugendlichen. Die 15-jährige Anny Rebeca Quispe Rosa reflektierte: „Dank dem Programm der Sexualerziehung verstehe ich nun besser, wie ich mich in bestimmten Situationen schützen kann und wie ich Entscheidungen treffen muss, z. B. ‚Nein‘ zu sagen zu einer Person, die mich zu etwas drängen will, was ich nicht tun will.“

Ein weiteres Herzstück des Projekts war die enge Zusammenarbeit mit den Eltern. Aufgrund der tief verwurzelten patriarchalen Strukturen in den ländlichen Regionen Perus haben viele Eltern, insbesondere die Väter, stark sexistische Ansichten über Geschlechterrollen.

Die meisten Eltern sind in ihren eigenen Familien mit Gewalt aufgewachsen oder wurden vernachlässigt. Viele Mütter und Väter wurden in jungen Jahren gezwungen, ihr Bauerndorf zu verlassen, um in der Stadt zu arbeiten, wo sie Missbrauch erlebten und ihre Grundschulausbildung nicht abschließen konnten. Dies hat tiefe emotionale Spuren in der Elterngeneration hinterlassen.

Die Workshops halfen, das eigene Erlebte zu verstehen und ihre Einstellungen schrittweise zu hinterfragen und zu verändern. Es ist schön, dass viele Mütter an den Workshops teilnahmen – Väter waren leider deutlich weniger präsent. Dennoch berichteten 120 Teilnehmende, dass sich die Kommunikation mit ihren Kindern verbessert hat und sie weniger Gewalt in der Familie erfahren. Lisbeth Quispe Rivas, eine Mutter eines Sekundarschülers, erklärt: „Die Kurse haben mir geholfen, meinen Umgang mit meinen Kindern zu verbessern. Jetzt habe ich Alternativen, um mit meinen Emotionen besser umzugehen, und vermeide es, sie anzuschreien oder zu schlagen.“

Die Mütter, die an den Workshops teilnahmen, betonten, dass sie nun die Emotionen ihrer Kinder besser erkennen und verstehen können. Olga Acholartico, Mutter einer Fünftklässlerin, berichtete: „Die Arbeit mit Sipas Wayna hat unser familiäres Miteinander gestärkt. Vorher waren wir sehr nachlässig im Umgang mit unseren Kindern und mehr auf die Arbeit konzentriert. Diese Workshops haben uns geholfen, mehr zusammenzuhalten und mehr mit unseren Kindern zu reden.“ Trotz des großen Erfolgs bleibt die Herausforderung bestehen, die Väter stärker in den Prozess einzubinden.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Projekts war die Ausbildung von 40 Lehrkräften in den Bereichen Sexualaufklärung, Gewaltprävention und sozio-emotionale Kompetenzen. Sie setzen die gelernten Inhalte nun aktiv im Unterricht um. Schulleiter Fredy Ayala lobte die Arbeit von Sipas Wayna: „Die Kurse von Sipas Wayna haben uns praxisnah gezeigt, wie wir das sensible Thema der Sexualaufklärung, das auch für Lehrpersonen oft herausfordernd ist, angehen können. Das Team von Sipas Wayna arbeitet sehr professionell.» Die Jugendlichen und Kinder entwickelten zudem kreative Ideen, um die Themen Sexualerziehung und Gewaltprävention in ihrer Gemeinde sichtbar zu machen. Sie gestalteten ein Wandgemälde zur Gewaltprävention, organisierten künstlerische, öffentliche Aufführungen und produzierten Armbändchen mit Friedensbotschaften. Gemeinsam gestalteten sie einen Briefkasten mit dem Namen: „Sag es mir, damit du nicht allein bist“, um andere Kinder und Jugendliche zu ermutigen, ihre Probleme zu teilen und Unterstützung zu suchen. Sie gestalteten zudem eine Wanderausstellung mit Fotos und Audios, die im Kulturzentrum Pukllasunchis in der Stadt Cusco ausgestellt wurde.

Spenden-Konto


ZKB, 8010 Zürich
Stiftung PUKLLASUNCHIS
Schulen für Cusco
1115-004.359 715
IBAN CH53 0070 0111 5000 0435 9

Share This