Kawsay
Heute werden alle Umweltaktivitäten in Tikapata unter dem Begriff «Kawsay» (= Leben auf Quechua) zusammengefasst: die agro-ökologischen Tätigkeiten im Schulgarten und in den Grünzonen, Aufforstung, Entwicklung von Alternativenergien, Wiederverwertung von Abfällen, Herstellung von pflanzlichen und medizinischen Produkten, Tieraufzucht sowie die Weitergabe der erworbenen Erfahrungen an interessierte Dritte.

Der Hintergrund

Ein fragiles Ökosystem
Das peruanische Ökosystem ist ausgesprochen verwundbar. Das liegt einerseits in den natürlichen Voraussetzungen begründet, Peru liegt in einer sehr aktiven Erdbebenzone.
Viele Umweltschäden sind aber vom Menschen verursacht. So werden immer mehr Regenwaldflächen abgeholzt und für den Anbau von Palmöl konzessioniert. Die Herstellung des aus den Früchten der Ölpalmen stammenden Öls gilt als besonders menschen- und umweltfeindlich. Gross und nachhaltig sind auch die Umweltschäden durch den Bergbau. Der Abbau der Ressourcen (Gold, Zink und Nickel) erfolgt schonungslos und unkontrolliert; die Bevölkerung profitiert von dem natürlichen Reichtum nicht, ist aber von den begleitenden Umweltschäden massiv betroffen. Die Emissionen der Minen und die Chemikalien zur Weiterverarbeitung der Metalle vergiften Boden und Wasser auf lange Zeit. Zudem werden beim Förderprozess große Mengen an Wasser benötigt; Wasser ist mittlerweile zu einem knappen Gut geworden. Schliesslich reagiert das peruanische Ökosystem ausserordentlich sensibel auf den Klimawandel; Überschwemmungen und Erdrutsche, extreme Dürren und ungewöhnliche Kälteperioden sind die Folge.
Das Ziel
Was Pukllasunchis will
Pukllasunchis entwickelt und verbreitet dank ihrer praktischen Erfahrungen in der Modellschule schon seit vielen Jahren Vorschläge für eine Umwelterziehung.
Die Umwelterziehung von Pukllasunchis setzt am Begriff des Ökosystems an, also der «Lebensgemeinschaft», welche alle Lebewesen in einem bestimmten Gebiet umfasst und wo Menschen, Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen untereinander in ständigen Wechselbeziehungen stehen. Sie will die Kinder dazu anleiten, ihrer natürlichen Umwelt Sorge zu tragen und ihnen das Bewusstsein vermitteln, dass sie Teil dieser Umwelt sind. Umwelterziehung bei Pukllasunchis ist in erster Linie praktisches Tun im Alltag. Der tägliche Kontakt mit der Natur schafft ein Umweltbewusstsein, das sich ganz selbstverständlich und natürlich im Verhalten und Handeln der Kinder und Jugendlichen niederschlägt. Diese in der Schule erworbenen Verhaltens- und Handlungsweisen haben auch Auswirkungen auf das familiäre Umfeld der Schülerinnen und Schüler.
Das Angebot

Der Schulgarten
Etwa eine Hektare des Schulareals ist für Naturparzellen, Terrassen und Wald bestimmt, deren Pflege und Bewahrung die Schule zusammen mit den Schülerinnen und Schülern wahrnimmt.
Im Schulgarten setzen die Schüler und Schülerinnen ökologische Anbaupraktiken um, sowohl nach den Kenntnissen der andinen Vorfahren als auch mit modernen Techniken und Methoden. Sie lernen Kompost und natürliche Düngemittel herzustellen, Blumen und Bäume im Baumgarten aufzuziehen und Samen für die nächste Aussaat und zur Wahrung der Biodiversität zu lagern. Sie befassen sich auch mit der Aufzucht von diversen Kleintieren (Meerschweinchen, Kaninchen, Enten, Hühner etc.) und lernen mit den Medizinalpflanzen des Schulgartens verschiedene Naturprodukte sowohl zur Pflege als auch für die Kosmetik herzustellen.

Der Unterricht
Das Umweltprogramm von Pukllasunchis fordert auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem Raubbau an den natürlichen Ressourcen und der daraus resultierenden Störung des ökologischen Gleichgewichts.
Im Unterricht erhält die praktische Erfahrung im Schulgarten eine Ergänzung in Form von Basis- und Hintergrundinformationen, die über den unmittelbaren Schulgartenbereich hinausgehen. Ausgehend von der Praxis im Schulgarten beobachten und analysieren die Lernenden die Änderungen im Klima, machen Nachforschungen zum Klimawechsel und dessen Rückwirkungen und denken über Möglichkeiten zu seiner Abschwächung auf der nationalen Ebene, für Lateinamerika und für die Welt als Ganzes nach.

Die Schule
Es gehört zum Leitbild der Modellschule, so wenig Abfall als möglich zu produzieren. Der anfallende Abfall wird sortiert und rezykliert (Kompost, Umweltpapier etc.).
Zu diesem Zweck hat Pukllasunchis einen Vertrag mit einer Wiederverwertungs-Firma geschlossen. In den Workshops stellen die Schülerinnen und Schüler Gegenstände mit rezykliertem Papier her und machen mit den biologischen Abfällen Kompost. Mit der Unterstützung der Familien organisiert Pukllasunchis Aufforstungskampagnen, das Setzen von Blumen sowie die Entrümpelung des Bachs am Rande des Schulgeländes.
Weitreichendes Vorbild
Alle Praktiken und Erfahrungen von Kawsay in der Modellschule werden über Weiterbildungskurse für Lehrpersonen in den städtischen und ländlichen Zonen der Region von Cusco weitergegeben. Dazu gehört u.a. auch ein Didaktikkurs am EESP an, der sich an angehende Lehrpersonen der Vor- und Primarstufe, auch für solche der öffentlichen Schule, richtet.
Rund 2000 Personen – Professoren, Studierende, Kinder, Jugendliche und andere Interessierte – besuchen jedes Jahr die Modellschule, um sich von deren Schülerinnen und Schülern durch den ökologischen Lehrpfad führen zu lassen.
Heute ist Pukllasunchis eine wichtige Referenz in Sachen Umweltbildung. Pukllasunchis gehört zu 20 «Grünen Colegios», welche von den beiden Ministerien Bildung und Umwelt ausgewählt worden sind. Diese Schulen treffen sich jedes Jahr, um Vorschläge zum Lehrplan in Sachen Umweltbildung zu unterbreiten. Pukllasunchis beteiligt sich auch an öffentlichen Veranstaltungen auf regionaler und nationaler Ebene, wie z.B. an den von den lokalen Verwaltungen organisierten Messen und einer virtuellen Plattform für pädagogische Ressourcen (brujula verde).
Das Umweltministerium vergibt jedes Jahr 7 Anerkennungspreise für ausserordentliche Leistungen im Bereich Umwelt. Im Jahre 2012 wurde der erste Preis in der Kategorie Umweltbildung an Pukllasunchis vergeben.